Mission als Kraftprobe

Im November wurde im UN-Sicherheitsrat über die Verlängerung der Eufor-Misssion in Bosnien-Herzegowina entschieden. Zurzeit sind noch etwa 600 Soldaten vor Ort. Russland führt seit November den Vorsitz und kann den Resolutionstext für die Mission Althea  vorschlagen. Es geht auch um die Einflusssphären des „Westens“ auf dem Balkan, die Moskau nicht mehr aktiv unterstützten möchte. Ein westlicher Diplomat meint: „Russland sieht Bosnien-Herzegowina als eine Art Einsatz im Poker um Syrien und um die Ukraine. Man will etwas dafür haben, dass man den Balkan dem Westen überlässt.“

Einige westliche Staaten, etwa Frankreich, wollen die Eufor-Mission beenden. Elf EU-Staaten sind für ein Fortbestehen, darunter Großbritannien, das im Sicherheitsrat einen Sitz hat, und Österreich. Grundsätzlich ist die Sicherheitslage stabil. In diesem Jahr gab es aber mehrere Vorfälle. In Zvornik tötete ein bosniakischer Islamist einen Polizisten. In Prijedor gab es Schlägereien zwischen Bosniaken und Serben. Wie es dort weitergeht, kann realistisch betrachtet niemand beantworten.

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Bild oben: Manche Serben sehen ihn als Schutzherrn: „Republika Srpska“ steht unter Putins Bild in einem Lager in Kravica, wo 1993 Serben einem Massaker durch Muslime zum Opfer fielen.

Dayton ist nicht gleich Dayton

Die Eroberungen der bosnischen Armee ab Sommer 1995 waren die Voraussetzung dafür, dass die Armee der Republika Srpska zu Verhandlungen bereit war. Das führte schließlich zum Friedensabkommen von Dayton. Doch auf der Seite der bosnisch-serbischen Armee überwog das Gefühl der Niederlage. In der Republika Srpska machte sich damals große Enttäuschung breit, heute ist man in der Republika Srpska sehr zufrieden mit Dayton, in der Föderation hingegen mag man das Abkommen nicht.

Dayton

Daran merkt man, dass Dayton eben nicht Dayton ist, sondern eine Frage der Interpretation. Dayton ist tatsächlich nicht gleich Dayton: Heute berufen sich am ehesten bosnische Serben auf das Abkommen, weil es der Republika Srpska (RS) weitgehende Autonomierechte zusichert. Gleichzeitig gibt es aber von einem Teil der politischen Eliten in der RS seit vielen Jahren Versuche, die Verfassung zu brechen und die Unabhängigkeit der RS voranzutreiben. Dayton ist der einzige Friedensvertrag, in dem eine Verfassung verankert ist. Und das ist auch das Grundproblem. Der entscheidende Fehler war, dass man keinen Verfassungsprozess ermöglicht hat wie im Kosovo, im Irak oder in Afghanistan, wenn man zunächst eine Interimsverfassung gemacht hätte, dann hätte man in einem längeren Prozess mit mehr Substanz ein Grundgesetz ausarbeiten können, das viel mehr Legitimität hätte. Doch zum Zeitpunkt des Abkommens waren alle Diplomaten von den unzähligen gescheiterten Verhandlungen im Krieg geprägt. Das gegenseitige Vertrauen war äußerst gering. Durch den Vertrag sind die Blockade und Vetomöglichkeiten der beiden Entitäten bis heute stark.

Kurz vor dem 20. Jahrestag der Unterschrift unter den Vertrag am 14. Dezember kommt auch in Sarajevo keine Feierstimmung auf. Der Frieden hat nicht gebracht, was man sich erhofft hatte. Für viele ist Dayton ein Provisorium geblieben, man hat das Gefühl, dass die Vergangenheit noch heute relevant ist, und es wird an den Kriegszielen festgehalten, es ist eine Konsensdemokratie ohne Konsens, es fehlt Einigkeit über das Wichtigste, nämlich darüber, wie man regiert, wie man den Staat organisiert únd so betrachtet ist das ganze Land ein Provisorium, künstlich am leben erhalten.

NSU -Zur Kenntnis genommen

Strafprozesse, erst recht solche außergewöhnlichen wie jener um die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in München, sind für viele Beteiligte eine schwierige Sache. Die Opfer und Hinterbliebenen haben oft andere Erwartungen, als das Gericht zu erfüllen vermag. Dieses soll aufklären und ein Strafmaß festlegen, aber nicht „Rache“ für trauernde Hinterbliebene nehmen. Viele von ihnen haben es als Affront empfunden, dass die Hauptangeklagte zweieinhalb Jahre lang geschwiegen hat.

 

NSU-Prozess

 

Ihre Aussage am Mittwoch war somit von vorneherein mit vielen Erwartungen verbunden und auch überfrachtet. Immerhin: Sie hat gesprochen. Das hätte Zschäpe nicht machen müssen, eine Angeklagte muss sich nicht vor Gericht äußern. Zu schweigen ist ihr Recht. Kurz zusammengefasst lautete ihre Erklärung dann so: Ich habe von den schlimmen Straftaten, den zehn Morden also, nichts gewusst, habe nicht mitgemacht, habe sie nicht vorbereitet. Nur minderschwere Taten (Brandstiftung) würden auch auf ihr Konto gehen. Alles andere hätten ihre Freunde getan. Die sind ja – man darf es sagen – „praktischerweise“ tot und können nicht mehr widersprechen.

Zschäpe spricht sich also selber frei von den Morden. Das muss man zunächst so zur Kenntnis nehmen. Es könnte stimmen, dass sie nichts gewusst hat. Glaubwürdig ist es allerdings nicht, denn sie schildert sich selbst in ihrer Beziehung zu den beiden verstorbenen jungen Männern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als quasi hörig. Sie hatte nur die beiden und will von deren Morden immer nur im Nachhinein spitzgekriegt haben? Es ist eine Aussage, mehr nicht.

Das Gericht wird nun mit der Beweisaufnahme weitermachen, es ist sehr gut möglich, dass es Zschäpe am Ende noch widerlegt. Und es ist ja auch das Gericht, das zum Schluss sein Urteil spricht. Zschäpe hat sich auch bei den Hinterbliebenen der Opfer entschuldigt. Auf solche Worte haben diese lange gewartet. Doch erst nach 250 Verhandlungstagen war die Angeklagte dazu bereit – trotz ihres ganzen Wissens um die schrecklichen Taten, die ihre beiden Freunde begangen haben. Nach einer Entschuldigung aus ganzem Herzen klingt das nicht, vielmehr nach einem taktischen Manöver, weil die Angeklagte immer mehr unter Druck geraten war und nun wieder Boden gutmachen will.